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Die Entwicklung in den zwanziger Jahren
Der Kauf des Bergwerks durch die Familie de Wendel und das Ende einer Ära |
Im Jahre 1924 verkauften die bisherigen französischen Eigentümer ihre Aktien an die Firma "Les Petit-Fils de Francois de Wendel & Cie, Paris". Durch weitere Zukäufe aus Privatbesitz konnte die Familie ihre Anteile auf fast 100 Prozent steigern. Die Firma de Wendel gehörte zu dieser Zeit schon seit gut 250 Jahren zu den bedeutendsten Eisenerzerzeugern in Europa. Friedrich Heinrich konnte nun einen maßgeblichen Beitrag zur Versorgung der lothringischen Hüttenwerke der Firma mit Koks und Kokskohle beisteuern.
Am 31. Dezember 1924 ging eine Ära zu Ende: Franz Brenner und Alfred Spaeth gingen in den Ruhestand. Nachfolger wurden am 1. Januar 1925 die beiden bisherigen Prokuristen Werner Brand als Technischer und Carl Noll als Kaufmännischer Direktor von Friedrich Heinrich.
Der neue Aufsichtsrat bestand aus:
· Humbert de Wendel, Paris (Vorsitzender)
· Maurice de Wendel, Paris
· Henri Thélier, Paris (Stellvertreter)
· Dr. Hendrik A. van Nierop, Amsterdam
· Jean Keller, Paris,
· Francois Delage, Paris
· Graf Emmanuel de Mitry, Paris
· Otto Krawehl, Essen
· Robert Pastor, Köln
Franz Brenner wurde auch in der zeitgenössischen Presse gewürdigt. So schrieb das "Echo vom Niederrhein" am 30. Januar 1925: "Generaldirektor Brenner, der schon im vorigen Jahr nach Bonn übersiedelte, ist mit Beginn dieses Jahres in den Ruhestand getreten. Seiner Umsicht und Tatkraft ist die Zechenanlage in Lintfort zu verdanken". In der Rheinberger Zeitung vom 17. Februar 1925 war zu lesen: "Als theoretisch und praktisch ausgebildeter Bergmann gab er der Anlage mit Hilfe seiner Mitarbeiter einen eigenen Anstrich, ein besonderes Gepräge. Bitterböse Zeiten fielen in die Zeitspanne der Tätigkeit des verdienten Herrn Generaldirektor Brenner, Zeiten, in denen entschlossene Tatkraft, zähe Willensstärke, weitblickender Unternehmungsgeist und großzügiges Organisationstalent am Platze sein mußten". |
Die Errichtung von Schacht 3 (Norddeutschland) und weitere Ereignisse |
Im Jahre 1925 wurde das im Süden gelegene Feld "Norddeutschland" erworben und bereits im September begann man mit der Aufstellung des Schachtturms. Zwischen April und August 1928 wurden die Gefrierbohrlöcher niedergebracht und nach der Gefrierung begann man am 2. Januar 1929 mit den Abteufarbeiten, die ohne Zwischenfälle verliefen. Im Juli wurde das Steinkohlengebirge und am 31. März 1930 die vorläufige Endteufe bei 381 Metern erreicht.
In den Jahren 1925 -1929 stieg die Förderleistung kontinuierlich an, obwohl es im Ruhrgebiet auch weiterhin eine Steinkohlenkrise gab. Zwar setzte eine wirtschaftliche Erholung ein, im Bergbau gab es aber ein erstes Zechensterben, denn 38 Schachtanlagen wurden stillgelegt, weil sie nicht mehr genügend rentabel waren. Friedrich Heinrich bildete eine Ausnahme, da es dank der Eigentümerschaft durch das Haus de Wendel eine Absatzsicherung in der elsässisch-lothringischen Stahlindustrie gab.
1927 konnte von den Rheinischen Stahlwerken das Feld "Camp V" erworben werden. 1928 überschritt die Jahresförderung erstmals die Grenze von 1,5 Mio. t, was eine Tagesförderung von 4.983 t bedeutete. Die Vergrößerung des Felderbesitzes führte auch zur Errichtung eines weiteren Wetterschachtes, der im Feld "Norddeutschland" erstellt werden sollte. Hierzu erhielt die Schachtbaugesellschaft Haniel und Lueg den Zuschlag, die südlich der Rayer Straße einen Schacht mit 6,1 m Durchmesser abteufte.
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Werner Brand - Technischer Direktor von Friedrich Heinrich in der Zeit von 1925 bis 1957
Werner Brand, Technischer Direktor
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Werner Brand war in der Zeit von 1925 bis 1957 technischer Direktor von Friedrich Heinrich.
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Die Ereignisse der dreißiger Jahre
Die Aufnahme der Förderung auf Schacht 3 |
Nachdem 1929 mit der Auffahrung eines Verbindungsquerschlags auf der 350-m-Sohle zwischen den Schächten 1 und 3 begonnen worden war, erfolgte am 4. August 1931 der Durchschlag.
Noch im selben Jahr konnte im Kohlenfeld "Norddeutschland" die Förderung aufgenommen werden. Der Anschluß des Feldes "Norddeutschland" leitete mit der Fertigstellung des Schachtes 3 die Entwicklung der bisherigen Doppelschachtanlage zu einem Verbundbergwerk ein. |
Friedrich Heinrich feiert 25-jähriges Jubiläum |
Am 1. Oktober 1931 feierte die Steinkohlenbergwerk Friedrich Heinrich AG ihr 25-jähriges Bestehen. Aus Anlaß dieses Jubiläums war im Duisburger "General Anzeiger" in der Ausgabe vom 22. September 1931 zu lesen: "Friedrich Heinrich ist das erste Werk, das die Theorie in die Praxis ‚Verbundbergwerk' umgesetzt hat. D. h. neben einer zentralen Schachtanlage mit sehr hoher Förderfähigkeit sind Nebenschachtanlagen zur Wetterführung und Seilfahrt vorhanden. Jetzt können mindestens 8.000 Tonnen täglich gezogen werden. Rund 7.300 Tonnen sind schon an einem Tag gezogen worden. Die Förderung auf Schacht 1 und 2 geschieht durch 4 Dampffördermaschinen. Auf Norddeutschland arbeitet eine elektrische Fördermaschinen, wie die Anlage ‚Norddeutschland` überhaupt vollständig elektrifiziert ist".
Die Rheinisch-Westfälische Zeitung schrieb am 29. September 1931: "Die größte Einzelzeche im Bereich des Ruhrbergbaus, Friedrich Heinrich in Lintfort, vollendet am 1. Oktober das erste Vierteljahrhundert ihres Bestehens. Die Bedeutung geht schon aus der Belegschaftsstärke hervor, sie beträgt heute trotz aller Einschränkungen noch 5.500 Mann. Daß ihr Betrieb in allen Teilen zu den modernsten seiner Art zählt, ist bekannt." |
Weitere Ausweitung von Förderleistung und Feldbesitz und Sohlenstillegungen |
Schon 1930 förderte Friedrich Heinrich mit einer Belegschaft von über 6.000 Mann 1.751.310 t Kohle jährlich, was einer Tagesproduktion von 6.145 t entsprach. Diese hohe Förderleistung sollte bis 1936 erhalten bleiben.
Die Abbautechnik bestand aus Streben mit langen Stößen von ca. 150 m, die mit Schüttelrutschen und dem Abbauhammer als Gewinnungsmittel ausgestattet waren. Auch Schräm- und Kerbmaschinen wurden eingesetzt.
Die Weltwirtschaftskrise, die 1931 und 1932 zu Massenarbeitslosigkeit führte, stellte auch den Bergbau vor ernste Absatzprobleme. Die Belegschaft mußte auf 4.225 Mann verringert werden. Die Untertageleistung stieg zwar 1932 auf über 2 t je Mann und Schicht, doch führten über 60 Feierschichten in diesem Jahr zu einem Rückgang der Förderung auf 1,356 Mio. t.
Am 5. März 1933 wurde die 400-m-Sohle nach über 21 Jahren Betrieb stillgelegt und die Förderung aus dem Feld "Friedrich Heinrich" von der 450-m-Sohle gezogen.
Mit dem Einsatz von Gummigurtbändern nach 1933, der Einführung von Bruchbau im Jahre 1934 und dem Übergang auf stählernen Ausbau in Strecken und Streben in den nachfolgenden Jahren konnte die Leistung des Bergwerks weiter gesteigert werden.
1936 erreichte die Förderung 1.872.653 t, womit eine Tagesleistung von über 7.000 t gelang, und 1937 wurde mit 2.263.476 t die 2-Millionen-Grenze überschritten. 1939 und 1940 wurde Schacht 3 bis zur 450-m-Sohle geteuft, so daß die Schachtsohle nun bei 473,6 m stand.
Mit 2,371 Mio. t wurde 1939 die höchste bisherige Förderung erreicht, was einem Wert von 7.798 t pro Tag entsprach. Dieser Wert konnte erst im Jahre 1957 wieder überschritten werden! Mit dem Erwerb der Felder "Humboldt 1 und 2" im Westen konnte der Felderbesitz auf 89.752.515 gesteigert werden. |
Carl Noll - Kaufmännischer Direktor von Friedrich Heinrich in der Zeit von 1925 bis 1957
Carl Noll, Kaufmännischer Direktor
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Carl Noll war kaufmännischer Direktor von Friedrich Heinrich in der Zeit von 1925 bis 1957.
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Kamp-Lintfort zur Zeit der Weimarer Republik
Das Bevölkerungswachstum und die Siedlungsentwicklung |
Bis zum Beginn der Zechenerrichtung im Jahre 1907 hatte sich die Bevölkerungszahl nur geringfügig entwickelt und lag 1906 noch bei insgesamt 3.748 Personen. Im Zeitraum 1910 bis 1930 stieg die Bevölkerung in Lintfort von 904 auf 13.876, im Kamperbruch von 842 auf 4.695 und in Kamp von 1.210 auf 1.606 Einwohner an. Während im Kreis Moers 1910-1925 die Bevölkerung um 31 Prozent, in der Rheinprovinz um 12 Prozent und im Dt. Reich nur um 8 Prozent wuchs, betrug die Zuwachsrate in Kamp-Lintfort in diesem Zeitraum sagenhafte 410 Prozent. Auf Grund der Bevölkerungsentwicklung hatte Camp nach dem 1. Weltkrieg endgültig seine Bedeutung als Mittelpunkt der Gemeinden verloren und mit Lintfort war rund um die Zeche ein neues Zentrum entstanden.
Die neuen Bewohner kamen als nachgeborene Söhne von Bauern und Handwerkern aus dem Umland, sowie Polen der 2. Generation aus Hamborn-Meiderich, aber auch aus den östlichen Reichsgebieten. Die Verbundenheit mit der alten Heimat zeigen die zahlreichen Heimatvereine: es gibt Schlesier-, Saar,- Pfalz-, Ostpreußen- und Sachsenvereine und es gab damals sogar einen polnischen Heimat- und Turnverein.
Allmählich entwickelte sich aber aus dem Völkergemisch eine heimatverbundene Bevölkerung mit vielen charakteristischen Wesenszügen, wie man sie, da die Umgebung mit Eyll, Camp, Hoerstgen, Saalhoff und Rossenray weiterhin stark ländlich strukturiert blieb, sonst wohl nirgendwo am Niederrhein findet. Sprachlich kann man dies vielleicht noch am ehesten feststellen: während die "Hiesigen" (die alteingesessene Bevölkerung, die schon immer in Kamp-Lintfort lebte) eine niederfränkische Mundart sprachen, hat das Hochdeutsch der Neubürger bis heute die Klangfarbe des Ruhrdialekts behalten.
Die Zechenleitung tat viel, um den Arbeitern ein wohliges Zuhause zu bieten, denn jedes Wohnhaus in der Zechensiedlung hatte einen Garten und einen Stall. Es bildeten sich Kleintierzuchtvereine, wie die etwa 20 Brieftaubenvereine beispielhaft zeigen. Lintfort, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch geringer besiedelt war als Saalhoff, hatte sich bereits schon vor dem 1. Weltkrieg zum neuen und wachstumsträchtigsten Siedlungsschwerpunkt entwickelt.
Aber auch in anderen Teilen des heutigen Stadtgebietes gab es Neubauten, die allerdings meist privaten Ursprungs waren. So wurde an der Altfelder Straße, der Bergstraße, der Dorfstraße, der Eyller Straße, der Klosterstraße, der Ferdinantenstraße, der Hoerstgener Straße, der Hornenheidchenstraße, der Kamper Straße, der Klosterstraße, der Moerser Straße in Richtung Kamp, der Mühlenstraße, der Niersenbruchstraße, der Rheinberger Straße in Richtung Rheinberg sowie an der Wilhelmstraße gebaut.
Die folgenden Schaubilder zeigen die Bevölkerungsentwicklung seit 1900 in den einzelnen Gemeinden: |
Vor Beginn der Industriealisierung bis zum Jahre 1933 stieg die Bevölkerungszahl von Camp um immerhin 550 Personen
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Die Anlegung der Moerser Straße als Geschäftsstraße und der Werkssiedlungsbau machten sich in der Bevölkerungstatistik der Gemeinde Camperbruch deutlich bemerkbar
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Das im östlichen Stadtgebiet gelegene Hoerstgen blieb von der großen Zuwanderungsbewegung unberührt
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Zwischen 1900 und 1929 wuchs die Einwohnerschaft von Lintfort um 2.681 Prozent
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Erst relativ spät setzte sich auf dem südlichen Gebiet von Rossenray ein industrialisierungsbedingtes Wachstum der Einwohnerschaft durch
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Die Kurve für Saalhoff zeigt insgesamt einen nur relativ geringen Bevölkerungszuwachs nach Beginn des Industriealisierungsprozesses
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Die Entwicklung von Verkehr, Handel und Gewerbe |
Zu Beginn des 20. Jahrhundert lag Kamp-Lintfort abseits der bedeutenden Verkehrswege, wie dies seit der Zeit der alten Römerstraße, die Ober-, Mittel- und Niederrhein verband, seit Jahrhunderten gewesen war. Es gab nur unbefestigte Straßen und lediglich eine Postkutschenlinie von Geldern über Rheinberg nach Moers, die in Kamperbrück am Haus Müsers eine Haltestelle hatte. Am 15. März 1915 - also noch im 1. Weltkrieg - wurde eine Straßenbahnlinie Moers - Lintfort - Kamp eröffnet.
Ein großer Nachteil war das Fehlen eines Eisenbahnanschlusses. Es gab nur die von der Zeche errichte-te Schmalspurbahn nach Rheinkamp, die 1912 zu einer Normalspurbahn ausgebaut worden war. So konnte die Zeche 80 Prozent ihrer Kohle von dort zur Reichsbahnstrecke Duisburg - Kleve befördern. Der Rest wurde im Landhandel direkt an die Verbraucher verkauft. Wegen des Krieges wurde die geplante Bahnstrecke Oberhausen - Moers - Geldern, die südlich an der Zeche vorbeiführen sollte, aber nie verwirklicht, obwohl schon die nötigen Bauwerke und teilweise auch der Unterbau für die Schienen schon vorhanden waren. Nach dem Krieg wurde die Bahnlinie von den Siegermächten als "strategische Bahn" verboten.
Neben der Bauernschaft gab es in Kamp-Lintfort nur Kleinhandwerk. Es gab einige Pottbäcker, Schmiede, Müller, Schuhmacher, Schreiner, Maurer, Metzger und Bäcker sowie einige kleine Gaststuben. Größere Betriebe waren Hotel Müsers, die "Dampfbierbrauerei und Kornbranntweinbrennerei" Baaken und die Ziegelei Pauen.
Bei der regen Bautätigkeit, die die Errichtung der Zeche und ihrer Siedlungen mit sich brachte, nahm die Zahl der Handwerksbetriebe im Baugewerbe stark zu. 1921 wurde im Auftrag der Zeche von der "Bergmannssiedlung Linker Niederrhein" das Viertel um die Josefskirche bebaut und an der Eupener-, Friedrich-, Memeler und Tilsiter Straße und um den Bismarckplatz herum entstanden ca. 300 zweigeschossige Mietshäuser.
Die Gesellschaft bebaute 1925-1930 auch das Gebiet zwischen Moerser-, Eyller und Konradstraße. Die Gemeinde Kamperbruch begann 1932 mit dem Bau von Kleinsiedlungen im Niersenbruch, wo man Grundstücke an der Niersenbruch- und Möhlenkampstraße erworben hatte.
Gleichzeitig mit dem Bergbau stieg die Zahl der Betriebe im Nahrungs- und Genußmittelgewerbe an. Es siedelten sich auch Bekleidungsgeschäfte an. Diese errichteten ihre Geschäfts- und Wohnhäuser an der Moerser und Kattenstraße am Rande der Zechensiedlung. An der Moerser Straße siedelte sich 1924 auch die Sparkasse an. Diese war am 21. Mai 1865 gegründet worden und in Kamp untergebracht. Bis ins Jahr 1921 waren Spar- und Gemeindekasse nicht nur räumlich vereinigt. Erst nach der Trennung war sie ins Haus Deckers auf der Kirchstraße / Ecke Moerser Straße umgezogen.
Auch die Landwirtschaft profitierte von der Zeche, da die Nachfrage nach ihren Produkten stieg, die meist auf dem Marktplatz in der Mitte der Zechensiedlung angeboten wurden. Die am 13. Juni von 59 Bauern gegründete Molkerei Vierquartieren vertrieb ab 1922 nicht nur Molkereiprodukte, sondern hatte auch Nebenbetriebe, wie eine Mühle und Lagerräume für Futter- und Düngemittel. Außerdem besorgte sie Pflanzkartoffeln und Saatgut. |
Das Jahr 1934 - Kamp-Lintfort wird Großgemeinde |
Am 1. April 1934 wurden die Ämter Camp, Hoerstgen und Vierquartieren aufgelöst und die zugehörenden Landgemeinden Camp, Hoerstgen, Camperbruch, Lintfort, Rossenray und Saalhoff zum neuen Amt und zur Landgemeinde "Camp-Lintfort" durch Ministerentscheidung vom 24. März 1934 zusammengeschlos-sen, wodurch das heutige Stadtgebiet endlich eine territoriale Einheit bildete. Der Zeit gemäß wurde der Zusammenschluß zur Großgemeinde natürlich von der NSDAP als Verdienst des Nationalsozialismus gefeiert. Kurz danach wurde die Schreibweise in "Kamp-Lintfort" geändert.
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Das Projekt Rossenray bis zum Beginn des 2. Weltkriegs
Erneute Planungen im Jahre 1927 |
Im Jahre 1927 entstand durch Teilung und Zusammenlegung das Grubenfeld Camp V, das an Friedrich Heinrich verkauft wurde. Die Kuxe der übrigen Gewerkschaften der Rheinischen Stahlwerke sowie der inzwischen erworbene Grundbesitz wurde im gleichen Jahr von der Frankfurter Gasgesellschaft, der späteren Main-Gaswerke AG in Frankfurt/Main übernehmen, die die Hälfte der Kuxe an die Stadt Köln weiter gab.
Im Jahre 1929 erhielt der das Grubenfeld verwaltende Markscheider Lehmann von den neuen Eigentümern den Auftrag, einen Plan für den Aufschluß des Grubenfeldes und einen entsprechenden Betriebsplan zu erstellen.
Lehmann schlug vor, das Feld Rossenray durch eine Doppelschachtanlage mit einer täglichen Förderung von 8.000 Tonnen zu erschließen. Die Schächte sollten ca. 350 m südlich der Straße Kamp - Rheinberg auf dem Rossenrayer Horst nach dem Gefrierverfahren mit einem Durchmesser von 6 m abgeteuft werden. Der Abstand zwischen den beiden Schächten sollte 60 m betragen.
Für jeden Schacht waren zwei Förderungen vorgesehen, nämlich jeweils eine Gefäß- und eine Gestellförderung. Querschläge im Niveau der 1. Sohle bei 450 m und der 2. Sohle bei 600 m dienten dem Aufschluß der Lagerstätte.
Für die Streckenförderung sollten Förderwagen mit einem Fassungsvermögen von 880 l eingesetzt werden. Die Tagesanlagen sollten sich nach der geplanten Förderhöhe richten und bei Steigerung der Förderung entsprechend erweiterbar sein.
Der Plan kann allerdings nicht zur Ausführung, da die Anteilseigner unter Führung des Kölner Oberbürgermeisters Dr. Konrad Adenauer beabsichtigten, mit dem Felderkauf die Ruhrgas bei den anstehenden Preisverhandlungen unter Druck setzen zu können. Nach Vereinbarung zumutbarer Gaspreise wurde die Planung dann wieder aufgegeben.
Allerdings erfolgte am 8. September 1927 die Gründung der Siedlungsgesellschaft Rossenray AG unter Einbringung des vorhandenen Grundbesitzes.
Das Feld Rheinberg war schon 1917 an die Prager Eisen-Industrie-Gesellschaft in Wien verkauft worden, die zu Mannesmann gehörte. 1920 kamen die Kuxe der Rheinberg-Gewerkschaften an die französische Firma L'Industrie des Aciéres et Forges de Firming in Paris. |
Erwerb der Kuxe durch die Friedrich Krupp AG im Jahre 1937 |
Am 23. März 1937 erwarben die Friedrich Krupp AG und Konsorten (die Gewerkschaften Emscher-Lippe und die vereinigte Constantin der Große sowie die Norddeutsche Hütten AG) sämtliche Kuxe und die Aktien der Siedlungsgesellschaft Rossenray AG.
In seinem Gutachten schlug der Markscheider Lehmann im gleichen Jahr für den auf 63 qkm vergrößerten Feldbesitz ein Verbundanlage vor. Durch Feldertausch und Nachbaranlagen sollte das Feld eine quadratische Form erhalten. Außerdem sollte es 4 bis 5 Außenschächte in einem Abstand von 3,5 bis 4 km von der Hauptanlage zur Bewetterung geben, die man später auch für eine erweiterte Förderung hätte nutzen können. In 450. 600 und 750 m sollten drei Sohlen aufgeschlossen werden.
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Ansichtskarten aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg bis zum Beginn des Weltkriegs mit Motiven der Steinkohlenbergwerk Friedrich Heinrich AG (1924 - 1939)
Das in die Zeit der belgischen Besatzung fallende Jahr 1924 brachte in unternehmensgeschichtlicher Hinsicht eine bedeutsame Veränderung: die Steinkohlenbergwerk Friedrich Heinrich AG erhielt nämlich mit der Hüttenbesitzerfamilie de Wendel in Paris einen neuen Eigentümer. Im gleichen Jahr wurden auf der Lintforter Zeche erstmals eine Million Tonnen Kohle gefördert; die Belegschaft hatte sich auf 5.168 Mann erhöht. Ferner schieden zum Ende des Jahres 1924 Generaldirektor Franz Brenner (1863 - 1928), der nach Bonn verzog, und der kaufmännische Direktor Albert Spaeth aus dem Dienst der Bergwerksgesellschaft aus, für die sie seit 1906 bzw. 1907 tätig gewesen waren. Brenners Nachfolger als technischer Direktor wurde Bergassessor a.D. Werner Brand, der auch die 1907 erbaute repräsentative Villa B an der Friedrich-Heinrich-Allee bezog.
Eine vom Postamt Lintfort abgestempelte Ansichtskarte, Heiligabend 1925 von einer gewissen Erna nach München aufgegeben, zeigt, wie die Absenderin schreibt, "unserm Assessor seine Villa, die er unentgeltlich bewohnt". Von der abgebildeten Kartenansicht der Direktorenvilla B ist in örtlichen Sammlerkreisen auch eine kolorierte Variante aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bekannt. Beide Karten sind übrigens von dem ortsansässigen Kaufmann H. J. Schmidt verlegt und vertrieben worden. Aber auch die für die kaufmännischen Direktoren Albert Spaeth und Carl Noll (ab 1925) bestimmte Villa A, das Verwaltungsgebäude der Zeche, das heute die Linksniederrheinische Entwässerungsgenossenschaft herbergt, und das Beamten-Casino sind in den 20er Jahren weiterhin beliebte Ansichtskartenmotive, sei es in schwarz-weißer oder farbiger Ausführung.
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Eine weitere Ansichtskarte aus den 20er Jahren stellt drei zeittypische Kamp-Lintforter Motive dar: einmal mehr das Zechengelände an der Friedrich-Heinrich-Allee, das ehemalige Bürgermeisteramt an der Rheinberger Straße in Kamp mit der benachbarten Dienstwohnung des Bürgermeisters Hubert Lesaar an der Sternstraße sowie den De-Montplanet-Platz mit der katholischen Schule Lintfort II und dem von der Zeche errichteten Jugendstilbrunnen auf dem Vorplatz. Im Hintergrund sind einige Geschäftshäuser der Moerser Straße sowie die Einmündung der Steltenbergstraße zu erkennen.
Das Amtsgebäude Rheinberger Straße 72 wurde 1971 abgerissen; das Bürgermeisterwohnhaus Sternstraße 2 folgte 1975. Der Jugendstilbrunnen wiederum mußte bereits in den 30er Jahren einem Kriegerehrenmal weichen und wurde daher zum Wilhelm-Platz umgesetzt. Die recht seltene Mehrbildkarte, deren Verlegerin Cramers Kunstanstalt in Dortmund war, wurde am 4. Oktober 1924 von Lintfort nach Plauen im Vogtland/Sachsen verschickt, jedoch später von unbekannter Hand an den Ecken leider unsachgemäß beschnitten.
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Mit der Aufnahme der Kohlenförderung wurde in größerem Umfang Bergematerial für Versatzzwecke erforderlich. Sand und Kies aus dem Eyller Berg, den die Friedrich Heinrich AG zuvor und vorausschauend von der freiherrlichen Familie von Eerde käuflich erworben hatte, wurden daher ab 1912 mit den Gondeln einer zecheneigenen Drahtseilbahn über das zu dieser Zeit nur mit einigen Bauerhöfen bebaute Gestfeld-Gebiet bis zum südlichen Werksgelände transportiert. Die 1928 gelaufene Karte zeigt diese Seilbahn
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1932 lebten in den sechs Kamp-Lintforter Gemeinden rund 5.500 Personen und damit 25 Prozent der örtlichen Bevölkerung in finanzieller Abhängigkeit vom Arbeits- oder Wohlfahrtsamt. Im Zuge der tiefen Wirtschaftskrise hatte die Friedrich Heinrich AG, 1931 noch um die Seilfahrtanlage Norddeutschland (Schacht 3) erweitert, ihre Belegschaft zwischen 1930 und 1932 rigoros um 29 % von 6.022 auf 4.255 abgebaut. Diese Umstände und die mit ihnen verbundenen politischen Konflikte in der Endphase der Weimarer Republik finden auf den zeitgenössischen Ansichtskarten naturgemäß keine Berücksichtigung.
1934 wurden nach jahrzehntelanger Diskussion die bisherigen und gemeinsam verwalteten Ämter Kamp, Hoerstgen und Vierquartieren zu einer Gemeinde mit dem Namen "Kamp-Lintfort" zusammengelegt. Die meisten Schulen und einige Straßen hatten inzwischen systembedingt neue Namen erhalten, die auch auf Ansichtskarten Verwendung fanden. Als wirklich neues örtliches Motiv mit Bergbaubezug kam ab 1935 in vielen Varianten das beliebte Strandbad Pappelsee hinzu.
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Sehr verbreitete Ansichtskarte Ende der 30er / Anfang der 40er Jahre
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Eine Ende der 30er bzw. Anfang der 40er Jahre recht verbreitete Karte dokumentiert - fotografiert aus dem Turm der Josef-Kirche - im Hintergrund die imposante Silhouette der Zeche Friedrich Heinrich. Im Vordergrund sind ein klei-nes Teilstück der Friedrichstraße (Friedhofstraße) sowie vor allem die Koloniebebauung an der Moerser Straße zu erkennen. Ende der 60er Jahre mußten auch diese Häuser dem Bau der "drei weißen Riesen" weichen. Verlegt wurde die Ansichtskarte von Cramers Kunstanstalt in Dortmund.
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